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Das »Stuttgarter Triptychon«

Das »Stuttgarter Triptychon«

Die drei Teile des Stuttgarter Triptychons sind aufgebaut wie drei Tafeln eines mittelal­terlichen Altares mit einer unten das Ganze tragenden Predella, welche mit einem Aphorismus von Leonardo da Vinci dieses Ganze mit einer philosophischen Grundlinie umschließt, deren Anfang und Ende durch die beiden Begriffe »Erkenntnis« und »Liebe« ge­­bildet wird. Diese korrespondieren mit dem Begriff »oben und unten« auf der 3. Tafel. Indem sie mit dem Begriff »Frieden für Stuttgart« abschließt führt sie uns zur Gemengelage eines konkreten sozialen Spannungsfeldes, einen Weg zur Versöhnung der Gegensätze weisend.

Andererseits erklärt der Begriff »oben und unten« nicht nur diese Idee des »neuen Den­kens« als Brücke eines Sowohl-als-auch. Er erhellt überdies den Grund, warum auf dem Triptychon in verschiedenen Tönen die Farbe Grün das Feld beherrscht. Sie weist hier auf den Sma­ragd, den edlen und erinnert daran, dass vor Jahrtausenden auf jener tabula smaragdina eine der ältesten Weisheitslehren eingraviert worden war, deren ober­ster Gedanke lautete: »Was unten ist, ist wie das, was oben ist, und was oben ist, ist wie das, was unten ist, um die Wunder des Einen zu vollbringen.«

Die 3 Tafeln des Stuttgarter Triptychons sind ein Versuch, diese Elementarlehre für eine konkrete Situation im heu­tigen sozialen Leben fruchtbar zu machen. Denn heute gilt auch: »Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kömmt [aber] darauf an, sie zu verändern.« Karl Marx, 1845

Vertiefende Gedanken zu den einzelnen Tafeln des Triptychons

Stuttgarter Triptychon - Tafel 1Bereits seit Jahrzehnten entwickeln sich im sozialen Organismus die Beziehungen seiner Funktionssy­steme nicht so, wie es – nicht zuletzt unter den Bedingungen der Globalisierung – die Komplexität der Verhältnisse in wirtschaftlicher, politischer, monetärer und kultureller Hinsicht verlangt. Ein Großteil der heutigen gesellschaftlichen Probleme hat seinen Grund in einem Kommunikations- und Mediations-Defizit zwischen den Akteuren in den verschiedenen systemischen Sphären.

Doch der entwickelte soziale Organismus unserer Epoche ist durch seine inneren Richtkräfte längst darauf vorbereitet, an die Stelle der alten ideologisch bedingten Interes­sengegensätze der Konkurrenz und des Kampfes um des je persönlichen oder nationalen Vorteils Willen den Ausgleich durch Vermittlung treten zu lassen. Die Völker wollen den sozialen Organismus an neuen, den Zeitforderungen gemäßen sozialen Paradigmen und Grundwerten orientieren können. »Reden erst die Völler selber, werden sie schnell einig sein« [B. Brecht, Solidaritätslied].

Nur so sind die Impulse der individuell-mensch­heit­lichen Bewusstseinsentwicklung stets in Einklang zu bringen mit den systemischen Erfordernissen des sozialen Ganzen – vorausgesetzt, man erkennt darin eine der wesentlichen Erkenntnis- und Gestaltungsaufgaben des kulturellen Lebens in menschen- wie sozialwissenschaftlicher Hinsicht.

Stuttgarter Triptychon - Tafel 2In der Mitte steht das STUTTGARTER MEMORANDUM. Es ist die Neuauflage einer Arbeit aus dem Jahr 1994. Sie stellt dar, wie es in der Geschichte des Landes Baden-Württemberg zu den Artikeln 59, 60 und 64 der Landesverfassung gekommen ist. Sie regeln das Element der plebiszitären Demokratie jedoch so kontraproduktiv, dass es in den über 30 Jahren seit sie bestehen noch keine einzige Initiative für ein Volksbegehren gegeben hat. Deshalb hat die Demokratie-Initiative schon 1994 auf der Grundlage einer ins Zeit- und Wesensgemäße vertieften Idee in Gestalt eines »dreistufigen« Verfahrens der Volksgesetzgebung eine Neufassung dieser Artikel entwickelt. Jetzt scheint es »an der Zeit«, damit aussichtsreich in die Offensive gehen zu können. Der Kern dieser Idee lässt sich als Bild wie folgt zusammenfassend charakterisieren:

1. Der dreistufige plebiszitäre Prozess ist in keiner Phase auf Akklamation, sondern immer auf individuelle Beitritte abgestellt.

2. Dieser Prozess appelliert in keiner Phase an bloße Emotionen, sondern stellt die politische Entscheidung auf das überschaubare Feld einer rationalen Einzelentscheidung.

3. Der dreistufige plebiszitäre Prozess ist nicht ein Abruf unreflektierter Meinungen oder Launen [wie bei der Demoskopie], sondern fordert zu einem sozialen Gestaltungsprozess heraus, der seinem Wesen nach und gerade dank der großen Zahl der Menschen und deren Anonymität sich inhaltlich nur auf die gesellschaftliche Vernunft erstrecken kann.

4. Das dreistufige Verfahren durchmisst den anthropologischen Dreischritt von Denken, Fühlen und Wollen und vermittelt diese Strukturierung an die Gesellschaft. Es verleiht somit dem sozialen Ganzen erst das Menschenbild der Vollbürgerschaft.

Stuttgarter Triptychon - Tafel 3Die dritte Tafel des STUTTGARTER TRIPTYCHONS zeigt am praktischen Beispiel des Schlichtungsprozesses, der in Folge des Konflikts um die Neubau-Planungen für den Stuttgarter Hauptbahnhof eingerichtet worden war, wie aus dieser Arbeit eine Ausnahmesituation des gesellschaftlichen Bewusstseins entstand, die den Blick auf einen Ausnahmezustand einer systemischen Innovation ermöglichte, die für kurze Zeit die Mechanismen des »Geld-Macht-Medien-Verbundes« [Bernhard Taureck] relativierte, der unsere Gesellschaft ansonsten scheinbar unauflösbar im Würgegriff zu halten scheint.

Für eine gewisse Zeit waren am Runden Tisch die konventionellen Verhaltensmuster der Repräsentanten des Parlamentarismus gegenüber den Arbeitsweisen des zivilgesellschaftlichen Widerstandes aufgehoben und die Perspektive der Lebensbedingungen einer komplementären Demokratie, in der sich parlamentarische und plebiszitäre Elemente ergänzen, erschien am Horizont der konkreten Utopie einer neuen Architektur des sozialen Organismus; einer Architektur, in welcher die Kompetenzen und Verantwortlichkeiten seiner Funktionssysteme aus ihren Aufgaben im Ganzen rechtlich neu zu vereinbaren sein werden. Dem will das Triptychon mit seinen verfassungsrechtlichen Erneuerungsimpulsen dienen. Die Volksabstimmung über die drei Alternativen, wie es die dritte Tafel darstellt, wäre eine »Probe aufs Exempel«.

 

Auf dem Weg zum Runden TischDie Liebe zu einer Sache ist die Tochter ihrer Erkenntnis, und die Liebe ist um so glühender, je sicherer die Erkenntnis ist; diese Sicherheit entsteht aus der gesamten Kenntnis aller Teile, die, miteinander vereint, die Gesamtheit des zu liebenden Gegenstandes sind.

Leonardo da Vinci, um 1519